Fachanwalt für Arbeitsrecht

069 95 90 91 12

Eintragung einer Restschuldbefreiung

Die Eintragung einer Restschuldbefreiung durch Auskunfteien

Mina Bettinghausen, RAin, und Patrick P. de Backer, RA

Die Frage nach der zulässigen Speicherdauer unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung

Durchläuft ein Schuldner ein Insolvenzverfahren, in dem es ihm nicht gelingt, sich insgesamt von seinen Schulden zu befreien, so gibt es für diesen nach der Insolvenzordnung die Möglichkeit einer sog. Restschuldbefreiung (§§ 286 InsO ff.). Die Restschuldbefreiung ermöglicht es dem Schuldner, sich nach einer Wohlverhaltensphase von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu befreien, wodurch ihm gleichzeitig ein wirtschaftlicher Neuanfang ermöglicht werden soll. Wurde eine Restschuldbefreiung erteilt, so wird dies in der Regel auch in die Datenbank der SCHUFA gespeichert, die ihre Daten unter anderem aus öffentlichen Quellen, wie dem Insolvenzregister bezieht. Die Informationen über die Erteilung der Restschuldbefreiung speicherte die SCHUFA bislang für die Dauer von drei Jahren, obwohl diese im Insolvenzverfahren selbst, im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachungen lediglich für sechs Monate öffentlich zugänglich sind (§ 3 Abs. 1 Inso-BekV). Bislang wurde das Vorgehen der SCHUFA im Hinblick auf ihre lange Speicherdauer von der Rechtsprechung als zulässig erachtet. Innerhalb der Instanzgerichte fand jedoch vermehrt eine Kehrtwende statt, in der die dreijährige Speicherdauer für Restschuldbefreiungen in Zweifel gezogen wurde und deren Ansicht nunmehr ganz aktuell auch durch die Anträge des EuGH-Generalanwalts Pikamäe gestützt wird. Auf die bisherige Rechtsprechung sowie die jüngsten Entwicklungen hierzu soll im nachfolgenden Beitrag eingegangen werden.

I. Allgemeines

Zu den Auskunfteien, zu denen unter anderem auch die größte Auskunftei, die SCHUFA, gehört, hat der BGH entschieden, dass die Erteilung von zutreffenden Bonitätsauskünften für das Funktionieren der Wirtschaft von erheblicher Bedeutung ist. Angaben einer Wirtschaftsauskunftei, die demnach geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen, seien für das Kreditgewerbe erforderlich und vom Betroffenen grundsätzlich hinzu- nehmen. Es besteht demzufolge ein öffentliches Interesse der Allgemeinheit am Auskunfteiverfahren, was so auch andere Gerichte bestätigt haben.

Die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung durch eine Auskunftei ergibt sich allgemein aus Art. 6 DS-GVO. Eine solche ist dann rechtmäßig, wenn einer der in Art. 6 DS-GVO genannten Erlaubnistatbestände vorliegt. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor (Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO) vor, kommt für die Rechtmäßigkeit ausschließlich die Regelung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO in Betracht. Eine Verarbeitung kann demnach nur unter der Voraussetzung rechtmäßig sein, dass sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Hierbei findet also bereits auf der Ebene der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung eine Interessenabwägung statt. Bei dieser Vorschrift (Art. 6 Abs. 1 lit. f) handelt es sich um eine zentrale Abwägungsnorm in der DS-GVO. Unter dem Begriff der berechtigten Interessen i. S. d. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO sind „die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen“ (Erwägungsgrund 47 DS-GVO). Das berechtigte Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich weit zu fassen. Als Interesse darf demnach zunächst jedes rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse des Verantwortlichen ausreichen.

II. Der Eintrag über die Restschuldbefreiung bei der SCHUFA – Löschung nach drei Jahren

Der Verband „Die Wirtschaftsauskunfteien e. V.“, der die Interessen von Wirtschaftsauskunfteien vertritt, hat freiwillige Verhaltensregeln aufgestellt (sog. „Code of Conduct“), die vom Landesdatenschutzbeauftragen des Landes Nordrhein-Westfalen als für geeignet befunden wurden. Nach diesen – eigenen – freiwilligen Verhaltensregelungen „verpflichten„ sich die Auskunfteien, darunter die SCHUFA, personenbezogene Daten drei Jahre nach Erledigung des gespeicherten Ereignisses taggenau zu löschen, was demnach auch für Einträge über die Restschuldbefreiung gilt, die taggenau drei Jahre nach Erteilung der Restschuldenbefreiung gelöscht werden.

Nach der bisherigen und bislang noch weit verbreiteten Ansicht innerhalb der Instanzgerichte ist die Speicherung der Information über die Restschuldbefreiung für die Dauer von drei Jahren in der Datenbank von Auskunfteien nicht unverhältnismäßig und erfüllt in dieser Zeit eine zulässige Warnfunktion. Denn der Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, so die Gerichte bislang, liegt nicht darin, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das Insolvenzverfahren gar nicht gegeben hätte. Der Schuldner könne demnach auch nicht verlangen, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war; ein solches Interesse sei nicht schutzwürdig und könne deshalb auch nicht offensichtlich das Interesse von zukünftigen Geschäftspartnern an der Überprüfung der Kreditwürdigkeit ihrer Schuldner überwiegen. Für potentielle Geschäftspartner des Schuldners sei es im Rahmen der Bonitätsprüfung wichtig, zu erfahren, ob bei dem Schuldner die Gefahr besteht, wieder insolvent zu werden. Für die Einschätzung dieser Gefahr könne die Erteilung der Restschuldbefreiung daher ein nicht unerhebliches Indiz sein.

Dass die Information über die Restschuldbefreiung auf dem Internetportal „www.insolvenzbekanntmachungen.de“ zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren gemäß § 3 Abs. 1 InsoBekV nur für die Dauer von sechs Monaten öffentlich zugänglich ist, während Auskunfteien sie für die Dauer von drei Jahren zum Zwecke der Auskunftserteilung speichern darf, stand dem in der Rechtsprechung bislang nicht entgegen. So entschied etwa das OLG Frankfurt a. M., dass der Erlaubnistatbestand des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG nicht voraussetze, dass die Daten auch noch während der gesamten Speicherdauer allgemein zugänglich sind, nach dem Gesetzeswortlaut komme es nur darauf an, dass die Daten öffentlichen Quellen entnommen werden können. Dies bedeute, dass allein der Zeitpunkt der Speicherung maßgeblich für die Frage ist, ob die Daten einer öffentlichen Quelle entnommen wurden. Eine zeitliche Einschränkung für die weitere Speicherdauer sei in § 29 Abs. 1 S.1 Nr. 2 BDSG nicht enthalten. Die unterschiedliche Behandlung derselben Daten ergebe sich aus dem Umstand, dass die Löschungspflicht nach sechs Monaten in § 3 Abs. 1 InsoBekV auf § 9 Abs. 2 InsO beruhe. Dabei, so das OLG Frankfurt a. M. weiter, gehe es allein um die notwendigen öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren, die Speicherung nach § 29 Abs. 1 S.1 Nr. 2 BDSG stelle demgegenüber keine öffentliche Bekanntmachung dar, sondern diene nur der Information der jeweils berechtigten Benutzer von geschäftsmäßigen Informationsgebern. Es handele sich damit um einen eingeschränkten Personenkreis, da die gespeicherten Informationen nur nach dem erfolgreichen Nachweis eines besonderen Interesses erlangt werden könne.

III. Die Kehrtwende in der Rechtsprechung – Löschung der Restschuldbefreiung nach sechs Monaten?

Innerhalb der Rechtsprechung zeichnete sich jedoch zunehmend eine Kehrtwende ab, die zeigt, dass die Instanzgerichte vermehrt die Rechtsmäßigkeit der Speicherfrist der Restschuldbefreiung über eine Dauer von drei Jahren in Zweifel ziehen und von einer zulässigen Speicherdauer von nur sechs Monaten ausgehen. Auf die einzelnen maßgeblichen Gerichtsentscheidungen soll nachfolgend eingegangen werden.

1. LG Frankfurt a.M.

Eine erste Wende in der Rechtsprechung stellte 2018 das Urteil des LG Frankfurt a. M. dar.

In diesem Fall wurde über das Vermögen des Klägers im Jahr 2011 ein Insolvenzverfahren (Verbraucherinsolvenz) eröffnet, welches im Jahr 2018 durch Beschluss des AG Frankfurt a. M. durch Erteilung einer Restschuldbefreiung nach § 300 InsO beendet wurde. Vor Gericht stritten die Parteien nun unter anderem um die Löschung der Eintragung über die Restschuldbefreiung bei der SCHUFA.

Das LG Frankfurt a. M. gab der Klage statt und entschied, dass dem Kläger ein Anspruch auf Löschung (Recht auf Vergessenwerden) des streitgegenständlichen Eintrags aus Art. 17 Abs. 1 lit. c DS-GVO zusteht.

Das Gericht führte zunächst aus, dass die Information über die Restschuldbefreiung, die über drei Jahre gespeichert wird, zwar nicht unverhältnismäßig ist und in dieser Zeit weiterhin eine zulässige Warnfunktion erfüllt, dem Kläger jedoch dann ein Widerspruchsrecht zusteht, wenn er Gründe darlegt, die auf Grund seiner besonderen Situation gegen die Verarbeitung der Daten sprechen, und die beklagte Auskunftei keine schutzwürdigen Gründe nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers überwiegen. Hierbei müsse es sich um Gründe handeln, die eine atypische Konstellation begründen, welche den Interessen des Klägers ein besonderes Gewicht verleihe.

Der Kläger, so die Urteilsbegründung, habe nachweisen können, dass er seit 2010 an einer psychiatrischen Erkrankung gelitten hat, wegen der er mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung war und demzufolge er auch erst seit 2017 wieder seine Verhältnisse habe ordnen können. Zudem habe der Kläger auch nachvollziehbar darlegen können, dass die Information über die Restschuldbefreiung, die die beklagte SCHUFA im Wege einer Bonitätsauskunft über ihn erteilte, ihn sowohl bei seiner beruflichen Weiterentwicklung als auch bei der Wohnungssuche in Frankfurt a. M. hinderlich sein könnte. Anders, als die Beeinträchtigung der geplanten Selbständigkeit des Klägers wog die Beeinträchtigung bei der Wohnungssuche nach Auffassung des Gerichts schwer, da die SCHUFA auf ihrer Internetseite die kostenpflichtig Bonitätsauskunft explizit auch als eine solche bewerbe, die Betroffene „z. B. an den Vermieter“ weitergeben können. Dem Kläger sei es dadurch erschwert gewesen, seine private Lebensgestaltung in einem Kernaspekt nach einer langen Krankheitsphase so zu gestalten, wie er sich dies gewünscht hätte, während demgegenüber die beklagte SCHUFA keine überwiegenden schutzwürdigen Gründe für die weitere Speicherung habe nachweisen können.

Erstmals entschied damit ein Gericht, dass der Eintrag über die Restschuldbefreiung in der Datenbank einer Auskunftei noch vor Ablauf von drei Jahren gelöscht werden muss.

2. OLG Schleswig

Eine weitere Wende in der Rechtsprechung folgte sodann im Jahr 2021 mit dem Urteil des OLG Schleswig. Während das LG Frankfurt a. M. noch für die Löschung der Restschuldbefreiung vor Ablauf von drei Jahren voraussetzte, dass der Betroffene Gründe darlegt, die wegen seiner besonderen Situation gegen die Verarbeitung der Daten sprechen und demgegenüber auch keine vorrangigen berechtigten Gründe für die weitere Speicherung durch die SCHUFA vorliegen, entschied erstmals das OLG Schleswig, dass Daten über die Erteilung einer Restschuldbefreiung spätestens mit Ablauf von sechs Monaten nach der Rechtskraft der Restschuldbefreiung nicht mehr rechtmäßig durch eine Auskunftei verarbeitet werden, da bereits die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Verarbeitung im Sinne von Art. 6 DS-GVO spätestens ab diesem Zeitpunkt gar nicht mehr vorliegen. Nach Ablauf dieser Frist stehe die weitere Verarbeitung bereits im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Wertung in § 3 Abs. 2 InsoBekVO und sei daher nicht mehr rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO. Es liege auf der Hand, so die Urteilsbegründung weiter, dass das Ziel, einem Schuldner nach der Wohlverhaltensperiode und Erteilung der Restschuldbefreiung einen Neustart zu ermöglichen, durch eine weitere Publizität der früheren Insolvenz erschwert werde. Der Normgeber habe bei Schaffung der InsoBekV die Vorstellung gehabt, dass es mit der Veröffentlichung der Informationen über das Insolvenzverfahren im Insolvenzbekanntmachungsportal im Internet sein Bewenden haben sollte. Etwaige weitere Veröffentlichungen sollen nach Ansicht des OLG allenfalls den Bundesländern landesrechtlich vorbehalten sein, womit deren Auffassung zufolge zugleich deutlich werde, dass weitere überregionale Veröffentlichungen zusätzlich zum Internetportal nicht zulässig seien und die Speicherung und Verarbeitung durch die Beklagte (hier die SCHUFA), welche ihre Informationen einer breiten allgemeinen Öffentlichkeit zum Abruf anbiete, jedoch einer weiteren Veröffentlichung gleichkäme.

Des Weiteren führte das Gericht aus, dass die SCHUFA die Informationen auch nicht für rein interne Zwecke verwende, sondern gerade mit dem Ziel, diese Informationen einer breiten Öffentlichkeit von potentiellen Vertragspartnern des Klägers – wenn auch kostenpflichtig – zugänglich zu machen. Doch nur eine solch rein interne Verarbeitung könne nach Ansicht des OLG nicht im Widerspruch zu der Regelung in § 3 InsoBekV stehen, welche auch die Löschungsfristen beachte. Solange die beklagte SCHUFA ihre Vertragspartner nur darauf hinweise, dass zum Zeitpunkt ihrer Auskunftserteilung im Insolvenzbekanntmachungsportal Informationen über den Schuldner verfügbar sind, und sie diese Informationen im gleichen Wortlaut wie auf dem Portal nennt, werde ein berechtigtes Interesse der Beklagten nicht im Widerspruch zu § 3 Abs. 2 InsoBekV stehen. Dann handele es sich nicht um eine über die Veröffentlichung im Insolvenzbekanntmachungsportal hinausgehende Verbreitung der Information, die im Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen steht.

Erstmals entschied das OLG Schleswig auch, dass sich die SCHUFA nicht auf ihre Verhaltensregeln („Code of Conduct“) als Rechtsgrundlage berufen könne, da diese, so die Urteilsbegründung, nicht in der Lage seien, das Interesse der SCHUFA an der Verarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zu legitimieren. Die Verhaltensregeln, so das Gericht, seien allenfalls eine Selbstverpflichtung des Verbandes und ggf. seiner Mitglieder sowie der genehmigenden Aufsichtsbehörde.

In einer weiteren Entscheidung vom 3.6.2022 bestätigte das OLG Schleswig seine grundlegende Entscheidung nochmals.

3. OLG München

Jüngst entschied auch das OLG München, dass die Speicherung der von der Internetplattform „www.insolvenzbekanntmachungen.de“ gewonnenen Daten auch für Wirtschaftsauskunfteien nach Ablauf der sechsmonatigen Löschungsfrist des § 3 InsBekV nicht mehr zulässig ist.

In seiner Entscheidungsbegründung führte das OLG aus, dass sich der Löschungsanspruch (nach sechs Monaten) bereits aus Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO ergibt, so dass offenbleiben könne, ob auch die Voraussetzungen eines (weiteren) Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) DS-GVO gegeben wären.

Die Rechtmäßigkeit der Speicherung des Restschuldbefreiungseintrages durch die Beklagte (auch in diesem Fall handelte es sich um die SCHUFA) müsse sich, so die Urteilsbegründung, an Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO messen lassen. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen stelle sich die über die Sechs-Monats-Frist des § 3 InsBekV hinausgehende Speicherung im Ergebnis als unrechtmäßig dar. Die Sechs-Monats-Frist als gesetzgeberische Wertung sei, so das OLG München, bei der im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO notwendigen Interessenabwägung einzubeziehen, so dass die Besonderheit zu beachten sei, dass die beklagte SCHUFA die streitgegenständlichen Daten aus einer behördlichen Veröffentlichung im Internet kopiere und daher „im großen Stil“ eine Paralleldatenbank anlege. Würde man, so die Urteilsbegründung weiter, die Zulässigkeit von Paralleldatenbanken einmal unterstellen, müssen sich nach Ansicht des OLG derartige Derivativdatenbanken nach dem Sinn und Zwecke des Datenschutzrechts an die für die Ursprungsdaten geltenden Regeln halten. Es sei jedoch mit dem grundlegenden Gedanken des Datenschutzrechtes unvereinbar, wenn gesetzliche Löschungsfristen dadurch umgangen werden, dass Daten kopiert und anderweitig gespeichert werden. Zudem sei es allgemein und damit auch dem Gericht bekannt, dass weite Kreise von Wirtschaftsunternehmen (u. a. von Banken, Energie- und Telekommunikationsunternehmen) vor Abschluss eines Vertrages eine sog. „SCHUFA-Auskunft“ einholen. Die Mitteilung, dass die Restschuldbefreiung erteilt wurde und damit die Offenlegung, dass der Kläger ein Insolvenzverfahren durchlaufen habe, habe ihm die Teilnahme am Rechtsverkehr erschwert und konterkariere nach Ansicht des OLG München das vom Gesetzgeber mit der Einführung der Privatinsolvenz verfolgte Ziel, dem Schuldner nach erfolgreichem Durchlaufen des Insolvenzverfahrens einen Neustart zu ermöglichen.

In seiner Entscheidungsbegründung verweist das Gericht zudem darauf, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des BDSG bzw. der Einführung der DS-GVO zwar keine Speicherfrist für die Restschuldbefreiung normiert habe, dass jedoch davon auszugehen sei, dass es nicht der Intention bzw. dem Willen des Gesetzgebers entspreche, private Unternehmen (wie die SCHUFA) den massenhaften Zugriff auf die Daten zu ermöglichen und die heruntergeladenen Daten für einen sechs Mal längeren Zeitraum zu speichern, als es § 3 Abs. 2 InsBekV vorschreibt. Angesichts der erheblichen Grundrechtsrelevanz kann es nach Ansicht des OLG München nicht der SCHUFA überlassen werden, mit dem „Code of Conduct“ allgemeingültige Löschfristen festzusetzen. Durch das massenweise und automatisierte Kopieren von Daten von der Plattform www.insolvenzbekanntmachungen.de unterhalte die SCHUFA eine Paralleldatenbank, so dass es in diesem Fall auch sachgerecht sei, die für diese Plattform vorgesehene gesetzgeberische Wertung einer Löschfrist von sechs Monaten auf diese Paralleldaten zu übertragen.

4. LG Hildesheim

Dieser Rechtsprechung schloss sich jüngst auch das LG Hildesheim an, indem das Gericht entschied, dass die Eintragung einer Restschuldbefreiung im Regelfall spätestens nach Ablauf von sechs Mona- ten zu löschen ist.

Bei der vorzunehmenden Abwägung, so die Urteilsbegründung, sei die vom Gesetzgeber mit der Konzeption des Insolvenzrechts getroffene Grundentscheidung der Reintegration des Schuldners in ein selbstbestimmtes wirtschaftliches Leben durch einen wirtschaftlichen Neustart zu berücksichtigen, die durch die standarisierte Speicherung der Daten über die Restschuldbefreiung (hier durch die SCHUFA) faktisch unterlaufen werde. In seiner weiteren Entscheidungsbegründung bezog sich das LG Hildesheim auch auf die sog. Datenminimie- rungspflicht, wonach bei jeder datenschutzrechtlichen Wertung der Grundsatz der Datenminimierung gem. Art 5 Abs. 2 lit. c DS-GVO berücksichtigt werden müsse. Eine weitergehende Speicherung nach sechs Monaten würde demnach die Datenverarbeitung auch nicht auf das für ihre Zwecke notwendige Maß beschränken. Zudem werde hierdurch auch Erwägungsgrund 39 S. 8 DS-GVO missachtet, wonach die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben soll.

IV. Die jüngsten Entwicklungen zur Speicherdauer der Restschuldbefreiung

Die Rechtsprechung der Instanzgerichte, die die Speicherdauer von mehr als sechs Monaten als unzulässig erachtet haben, wird jüngst durch die Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts Pritt Pikamäe gestützt. Hintergrund der Entscheidung des Generalanwalts war ein Vorabentscheidungsersuchen des VG Wiesbaden. Gegenstand des Verfahrens war das Begehren des Klägers, die Eintragung einer Restschuldbefreiung aus dem Verzeichnis der beklagten Auskunftei (die SCHUFA) zu löschen. Das VG Wiesbaden folgte in seiner Entscheidungsbegründung dem OLG Schleswig vom Juli 2021 und führte aus, dass die Löschfristen der SCHUFA hinsichtlich der Restschuldbefreiung in Widerspruch zu den gesetzlichen Regelungen § 3 InsoBekVO stehen. Vor einer endgültigen Entscheidung sah sich das VG Wiesbaden jedoch veranlasst, dem EuGH vorab mehrere Fragen zur Klä- rung bezüglich der Eintragung der Restschuldbefreiung vorzulegen, unter anderem die Frage, ob gemäß dem Recht auf Vergessen nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO die Daten über die Restschuldbefreiung bei der Auskunftei zu löschen sind, wenn diese eine Speicherdauer vorsieht, die über die für öffentliche Register vorgesehene Speicherfrist hinausgeht.

Hierzu nahm der Generalanwalt nunmehr Stellung und führte aus, dass auch seiner Ansicht nach der Eintrag über die Restschuldbefreiung rechtswidrig sei, wenn diese in der Datenbank der SCHUFA wei- terhin gespeichert bleiben, nachdem sie bereits aus dem öffentlichen Register gelöscht wurden. Pikamäe führt hierzu aus:

„Selbst eine rechtmäßige Datenverarbeitung kann nämlich im Lauf der Zeit nicht mehr mit der DS-GVO vereinbar sein, wenn diese Daten dem Zweck, für den sie ursprünglich erhoben wurden, nicht ent- sprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen. Unter diesem Blickwinkel frage ich mich ernsthaft, wie die Speicherung personenbezogener Daten für eine Dauer von drei Jahren gerechtfertigt sein könnte, während der nationale Gesetzgeber der Ansicht ist, dass eine Speicherfrist von sechs Monaten, d. h. eine deutlich kürzere Dauer, weitgehend ausreicht, um den geschäftlichen Interessen der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung zu tragen. SCHUFA ist nicht in der Lage gewesen, diese Frage klar und überzeugend zu beantworten, obwohl sie nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO die Einhaltung der Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten nachweisen muss.“

Er führt weiter aus:
„Eine Würdigung aller in den vorstehenden Absätzen genannten Gesichtspunkte führt mich zu dem Ergebnis, dass die erheblichen negativen Folgen, die die Speicherung der Daten für die betroffene Person nach Ablauf des fraglichen Zeitraums von sechs Monaten haben wird, gegenüber dem geschäftlichen Interesse des privaten Unternehmens und seiner Kunden an der Speicherung der Daten nach diesem Zeitraum zu überwiegen scheinen. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die gewährte Restschuldbefreiung dem Begünstigten ermöglichen soll, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen. Dieses Ziel würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken zu speichern, nachdem diese Daten aus dem öffentlichen Register gelöscht wurden.“

In seinen Schlussanträgen stellte Generalanwalt Pikamäe unter anderem fest, dass eine Speicherung der Daten über die Restschuldbefreiung durch eine private Wirtschaftsauskunftei über einen Zeitraum, der über denjenigen hinausgeht, in dem die Daten im öffentlichen Register gespeichert werden, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f) der DS-GVO entgegensteht. Betroffene Person haben demnach das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn diese Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung unrechtmäßig verarbeitet worden sind.

Eine weitere Entwicklung zeigte sich jüngst auch durch einen Beschluss des BGH. Denn die beiden Entscheidungen des OLG Schleswig, auf die hier unter III. 2. eingegangen wurde, sind derzeit in Revivionsverfahren beim BGH anhängig. Mit jüngstem Beschluss vom 27.3.2023 hat nun der VI. Zivilsenat das Verfahren bis zu der Entscheidung des EuGH auf Grund der dort anhängigen (verbundenen) Verfahren ausgesetzt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung gab die SCHUFA bereits einen Tag nach dem Aussetzungsbeschluss des BGH im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt, dass sie sich dazu entschlossen habe, die Speicherdauer der Restschuldbefreiung auf sechs Monate zu verkürzen. Laut Pressemitteilung wird die SCHUFA Einträge zu einer Restschuldbefreiung, die zum Stichtag 28.3.2023 länger als sechs Monate gespeichert sind sowie alle damit verbundenen Schulden nach sechs Monaten rückwirkend zu diesem Datum löschen. Die Löschung erfolgt dabei laut eigener Aussage automatisch.

V. Fazit

Die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung sind zu begrüßen, denn die verkürzte Speicherdauer von sechs Monaten erleichtert Betroffenen, denen die Restschuldbefreiung erteilt wurde, nunmehr wesentlich früher den Neustart und die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben. Die „Eisbrecher-Entscheidung“ des OLG Schleswig im Juli 2021 führte bereits zu einem Umdenken in der Rechtsprechung und mit den jüngsten Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts bestätigt sich nun auch auf unionsrechtlicher Ebene, dass die Speicherdauer von drei Jahren im Hinblick auf die Restschuldbefreiung als nicht rechtmäßig angesehen wird. Mit einer Entscheidung des EuGH dürfte wohl im Herbst 2023 gerechnet werden. An die Schlussanträge des Generalanwalts ist der EuGH zwar nicht gebunden, erfahrungsgemäß schließt sich der EuGH in seinen Entscheidungen jedoch oftmals den Anträgen des Generalanwalts an. Sollte dies der Fall sein (wovon auszugehen ist), dürften Auskunfteien zukünftig Einträge über die Restschuldbefreiung nur noch für die Dauer von sechs Monaten speichern dürfen. Dem ist (zumindest) die SCHUFA jetzt zuvorgekommen, indem sie die Speicherdauer bei Restschuldbefreiungen selbst eigeninitiativ auf sechs Monate verkürzt hat. Allerdings darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass die Entscheidung des EuGH und auch des BGH für alle Wirtschaftsauskunfteien von wesentlicher Bedeutung sein wird. Die SCHUFA ist zwar die größte Auskunftei Deutschlands und (wie auch dieser Beitrag gezeigt hat) am häufigsten beklagte Partei in einem Gerichtsverfahren gewesen, allerdings gibt es neben der SCHUFA weitere Wirtschaftsauskunfteien, die sich wie die SCHUFA auch auf die vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien erstellten, freiwilligen Verhaltensregeln („Code of Conduct“) berufen und die nach Erledigung eines gespeicherten Ereignisses eben auch jene dreijährige Speicherdauer vorsehen.

Zum Originalartikel (Betriebsberater 21/2023) inkl. Quellenangaben

Bürozeiten: Mo–Fr von 9.00 bis 18.00 Uhr

Wir beraten Sie zu den Themen:

SCHUFA Eintrag löschen

Schufa Auskunft

Negativeintrag SCHUFA löschen

SCHUFA Auskunft sofort

Bonitätsauskunft

Negativeintrag bei der SCHUFA

SCHUFA Auskunft für Vermieter

SCHUFA Bonitäts Check

SCHUFA Löschung beantragen

SCHUFA Eintrag abfragen

Selbstauskunft beantragen

Schufa Beratung

Hilfe bei SCHUFA Problemen

Verjährung SCHUFA Eintrag

Verjährung bei der SCHUFA

SCHUFA Score

Negativeintrag entfernen

Negativeintrag SCHUFA

SCHUFA Beratung Anwalt

SCHUFA Anwalt

Vermieter verlangt SCHUFA

SCHUFA Experte

SCHUFA Hilfe

SCHUFA Selbstauskunft

Mitglied im Anwaltverein
Qualität durch Fortbildung
Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main
Mandatsbedingungen | Impressum | Datenschutz